Berufe in der juristischen Praxis werden durchwegs durch speziell für diese geltende Rechtsvorschriften geregelt. Für die Anwaltschaft setzt beispielsweise die Rechtsanwaltsordnung präzise fest, welche Rechte und Pflichten diese treffen, welche Voraussetzungen es für die Ausübung des Berufs zu erfüllen gilt oder wie sie in den Standesvertretungen, d.h. den Kammern, organisiert ist. Ähnlich verhält es sich bei Notar_innen und Wirtschaftstreuhänder_innen sowie bei einer Reihe weiterer freier Berufe auch außerhalb der Juristerei.
Dieses sog. Berufs- und Standesrecht fristet in Österreich ein Mauerblümchendasein. Es spielt in der Forschung im Gegensatz zu anderen Ländern eine völlig untergeordnete Rolle. Damit hat es nun aber ein Ende. Das neue Forschungszentrum für Berufsrecht (ZBR) an der REWI Uni Graz schließt die veritable Lücke und wird sich fortan mit diesem ausgesprochen praxisrelevanten Forschungsgebiet in all seinen Facetten sowohl auf nationaler wie auch rechtsvergleichend auf internationaler Ebene beschäftigen. „Einen wesentlichen Schwerpunkt der Tätigkeit sollen die Bestimmungen zur höchst brisanten und wissenschaftlich bislang noch zu wenig analysierten Querschnittmaterie Geldwäsche darstellen“, erzählt Bettina Nunner-Krautgasser über die zusätzliche Ausrichtung des ZBR. Die Vizedekanin der REWI Uni Graz und Professorin am Institut für Zivilverfahrensrecht wird das Zentrum gemeinsam mit Gernot Murko, Präsident der Rechtsanwaltskammer Kärnten und Praxisprofessor am Institut für Unternehmensrecht, leiten. Dieser führt weiter aus: „Die einschlägigen Regelungen zur Geldwäsche sind in der Praxis von enormer Bedeutung und bedingen erhebliche Eingriffe in die Verschwiegenheitspflicht der Standesangehörigen.“
So wurde auch für die Kick-off-Veranstaltung des Forschungszentrums am 5. Mai das Thema Geldwäsche gewählt. Die Tagung beleuchtete neben den strafrechtlichen und europäischen Regelungen zur Geldwäsche die Geldwäschebestimmungen in der Rechtsanwaltsordnung, im Wirtschaftstreuhänderberufsgesetz sowie in der Notariatsordnung und ging darüber hinaus auf ausgewählte Probleme im Zusammenhang mit dem Finanzmarkt-Geldwäschegesetz ein. „Unsere Vortragenden gaben besonders vielseitige und spannende Einblicke in die Praxis“, freuten sich Bettina Nunner-Krautgasser und Gernot Murko über den Erfolg der Veranstaltung (Infos).
Nicht ohne Grund ist die REWI Uni Graz mit dem Forschungszentrum für Berufsrecht Pionierin in Österreich. Sie stellt nicht zuletzt aufgrund der an der Fakultät tätigen Praxisprofessor_innen, vor allem auch aus dem Kreis der Anwaltschaft, einen idealen Nährboden, um die bestehenden Lücken in diesem Bereich zu schließen.
(aktualisiert: 5. Mai 2022)
Wolfgang Schleifer