Die neunte Fortbildungsveranstaltung des ZBR fand unter dem Titel „Unabhängig sein und bleiben – Das Fremdbeteiligungsverbot im Berufsrecht der Rechtsberatung“ statt und widmete sich einem ebenso aktuellen wie kontrovers diskutierten Thema: dem Schutz der beruflichen Unabhängigkeit durch gesetzliche Beteiligungsgrenzen. Befeuert wurde diese Thematik durch die erst kürzlich ergangene Entscheidung des EuGH in der Rs. Halmer/RAK München (C 295/23). Darin hat der EuGH entschieden, dass das Verbot der Beteiligung reiner Finanzinvestoren an einer Rechtsanwaltsgesellschaft aus europarechtlicher Sicht zulässig und gerechtfertigt ist, um die Unabhängigkeit von Rechtsanwält:innen zu gewährleisten.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Schmölzer, Dekanin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, die in ihrer Eröffnungsrede hervorhob, wie treffend die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH den Titel der Veranstaltungsreihe „BERUFSRECHT aktuell“ widerspiegelt. Auch Univ.-Prof.in Dr.in Bettina Nunner-Krautgasser (Co-Leiterin des ZBR), RA Dr. Michael Kropiunig (Präsident der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer) und StB Mag. Klaus Gaedke (Präsident der Landesstelle Steiermark der KSW) richteten Begrüßungsworte an die Teilnehmer:innen, bevor RA Univ.-Prof. Dr. Gernot Murko (Co-Leiter des ZBR) das Tagungsprogramm und die renommierten Vortragenden näher vorstellte.
Prof. Dr. Christian Wolf (Universität Hannover und Kooperationspartner des ZBR), der im einschlägigen EuGH-Verfahren die Rechtsanwaltskammer München vertreten hatte, bot im Rahmen des ersten Vortrags fundierte Einblicke in die Entscheidung und ihre Hintergründe.
Daran anknüpfend beleuchteten Dr.inMarcella Prunbauer-Glaser (Vizepräsidentin des ÖRAK und Präsidentin des ÖJT) und Mag. Herbert Houf (Präsident der KSW) die Implikationen des Urteils für die österreichische Rechtsanwaltsordnung (RAO) bzw das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG 2017). Dr.in Marcella Prunbauer-Glaser griff in ihrem Vortrag das von Generalanwalt Sánchez-Bordona in seinem Schlussantrag vorgebrachte Kohärenzgebot auf: Der Generalanwalt sprach sich zwar ausdrücklich (wie auch der EuGH) gegen die Zulässigkeit der Beteiligung von Finanzinvestoren an Rechtsanwaltsgesellschaften aus, bekrittelte jedoch, dass es nach der deutschen Rechtslage bestimmten verkammerten Berufen sowie nunmehr seit dem BRÄG 2022 sämtlichen freien Berufen offensteht, sich an einer Rechtsanwaltsgesellschaft zu beteiligen. Die Gleichstellung bestimmter Berufe mit den Rechtsanwälten und der damit verbundene Ausschluss anderer Berufe, die dieselben (vermeintlichen) Rechtfertigungskriterien erfüllen, nehme dem deutschen Fremdbesitzverbot die erforderliche Kohärenz. Vor diesem Hintergrund stellte die Referentin die nach österreichischem Recht zulässige Beteiligung bestimmter naher Angehöriger an Rechtsanwaltsgesellschaften (§ 21c Z 1 RAO) in Frage.
Abgerundet wurde die Tagung durch einen Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Friedrich Rüffler (Universität Wien und Leiter des dortigen Instituts für Anwaltsrecht) zu interdisziplinären Rechtsanwaltsgesellschaften. Er stellte sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch mögliche Chancen und Risiken solcher Kooperationsformen dar. Die dadurch ausgelöste Diskussion über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von gesellschaftlichen Zusammenschlüssen zwischen Rechtsanwält:innen und Wirtschaftstreuhänder:innen (die in Deutschland bereits seit vielen Jahren zulässig sind) hat deutlich gemacht, wie wichtig eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Berufsrecht ist.
Wir danken allen Vortragenden und Teilnehmenden für den regen Diskurs und das große Interesse. Besonders erfreulich war es, zahlreiche (auch internationale) Ehrengäste aus Wissenschaft, Praxis und Kammerwesen begrüßen zu dürfen. Die Tagung hat zum einen gezeigt, wie wichtig der interdisziplinäre und internationale Dialog für die Weiterentwicklung des Berufsrechts ist; zum anderen hat sie aber auch deutlich gemacht, dass der Schutz der Unabhängigkeit der Rechtsberatung kein rein berufspolitisches Anliegen, sondern das Fundament eines Rechtsstaates ist.
Teresa Perner, Forschungszentrum für Berufsrecht (ZBR)